1542/68 – 1897

Nebenkirche von St. Stephani 1542/68 – 1897



1542 – 1568
Einführung der Reformation in Helmstedt. St. Walpurgis ist fortan nicht mehr Pfarrkirche, sondern Nebenkirche von St. Stephani. Dabei hat die Kirche zwar die Vorzüge und Rechte, aber nicht alle Befugnisse einer Parochial-Kirche. So hat sie auch keine Taufgerechtigkeit (ius baptismae). Taufen und Trauungen finden in St. Stephani statt. Doch bald gab es wohl auch Ausnahmen von dieser Regel. Hingegen blieb das Begräbnisrecht (ius sepulturae) bei St. Walpurgis. Der Kirchhof blieb im Gebrauch und stand den Einwohnern der Stadt frei. Auch fanden später einige Beisetzungen in der
St,-Walpurgis-Kirche statt. Außerdem werden Gottesdienste in der St.-Walpugis-Kirche eingerichtet, diese finden im Sommer um 6.00 Uhr und im Winter um 17.00 Uhr statt. Einmal pro Quartal werden in St. Walpurgis öffentliche Beichte und Abendmahl gehalten. Privatkommunionen sind gestattet. Die St. Walpurgis-Kirche hat keine eigenen Pfarrer mehr. Der Predigtdienst wird durch die Archidiakone und die Diakone von St. Stephani im Quartalswechsel versehen. Die St.-Walpurgis-Kirche verfügt in Selbstverwaltung über ihr Sondervermögen an Ländereien, Häusern und Kapitalien. Das bestehende Patronat findet auch nach der Reformation seinen ungehinderten Fortgang.

1600
Die Schuster-Gilde sorgt nach einem großen Brand für den Wiederaufbau. Sie verkauft ihre 6 Hokenhäuser am Markt sowie die am Juliusplatz gelegene Rossmühle unter dem Gerberhof und stiftet noch ein beträchtliches Vermögen. Wahrscheinlich bildet sich in dieser Zeit das Patronat noch stärker heraus, und die Gilde meint, das Besitzrecht an
der Kirche zu haben.

1605
Die Gilde-Tafel von St. Walpurgis.
Die Gilde gibt leihweise 140 Marien-Gulden zum Bau einer neuen Orgel.

1625
31. Januar / Das Fürstliche Consistorium schreibt dem Magistrat, „dass die Gilde bei Bestellung der Opferleute zu St.Walpurgis den General-Superintendenten nicht so gar vorbei gehen, sondern es so machen sollte, dass er damit friedlich sein könnte.“

1648
Eingabe der Gilde an Herzog August d. J. betr. „Aufrechterhaltung von guter Ordnung, Zucht und christlicher Ehrbarkeit“: insbesondere sollten solche, die vor der Ehe mit Frauen zusammengelebt haben, nicht in die Gilde aufgenommen werden.

1676
15. Oktober / Eröffnungsgottesdienst zur Hundertjahr-Feier der Helmstedter Universität in St.Walpurgis.

1679
u. folgende Jahre / Die Barockausstattung der Kirche (1679 Altar usw.)

1690
Die Vorsteher melden, dass die Kirche „durch christenlicher Hertzen Zuschuß ziemlich wieder restauriret und von dem andräuenden Ruin, worin sie bei den verderblichen Kriegszeiten gerathen,hinwieder befriedet sei“.

1694
Große Glocke –heute nicht mehr vorhanden- mit der Inschrift: „Wird der Herr mich erhalten / Will ich rufen Jung und Alten / Zu dem reinen Gottes Wort / Das man lehrt an diesem Ort.“

1695
Aus Schenkungen stattet die Gilde die Kirche mit einem Taufstein (aus Holz) aus.

1709
„Erneuerte Kirchenordnung Anton Ulrichs“.

1711
Aufgrund dieser Kirchenordnung verliert die Gilde die uneingeschränkte Verwaltung der Kirchengüter.

1750
Dorothea Sophie Wunnenburg stiftet 1750 ein heute nicht mehr vorhandenes Altar-Laken mit Kreuz und einer Einfassung von „points d` Espagne“ (Stiche auf Stramin-Unterlage) und der Inschrift: „Nimm, Herr Jesu, dieses Tuch und schreib mich in das Lebensbuch“. Als neuer Aedituus (Tempelwächter, Küster Opfermann) wird Martin Koch nachgewählt. Als Funktion wird u. a. genannt: „Singen bei dem Gottesdienst“.

1758
Restaurierung der Orgel mit 11 Registern.

1760
Feststellung des Patronats der Gilde, die aus ihren Mitteln zwei Vorsteher setzt, die die Einnahme und Ausgabe berechnen, für den Bau und die Besserung sorgen, und die keiner weiteren Confirmation (Bestätigung) bedürfen. Die Gilde erwählt den Küster (Opfermann), allerdings eingeschränkt auf das Recht der Präsentation. Eine Mitwirkung der Gilde bei der Präsentation und Vokation der Prediger ist nicht inbegriffen. Den
Mitgliedern der Gilde steht die Prieche gegenüber der Orgel frei zur Verfügung. Die Gesellen benützen zwei Stühle neben der Orgel. Die Meisterfrauen haben freie Plätze in der Kirche. Neueintretende Lehrlinge zahlen ein Wachsgeld. Grundsätzlich aber wird die St.-Walpurgis-Kirche, wie es bei allen übrigen Kirchen im Lande der Fall ist, unter die obrigkeitliche Aufsicht ihrer beiden Visitatoren, des Generalsuperintendenten und des Magistrats, gestellt.

19. Jahrhundert
Das Recht der Schuster-Gilde, für die St.-Walpurgis-Kirche die Vorsteher zu bestellen, schwächt sich zu einem Präsentationsrecht ab. Nach Aufhebung der Gilden 1807 – 1821 präsentierten die Visitatoren, auch noch 1826, 1844 behält sich die inzwischen neu erstandene Schuhmacher-Innung für die Zukunft das Recht der alleinigen Präsentation vor.

1804
Ab 1804 versehen die sog. Kolaboratoren (Hilfsgeistliche) an St. Stephani den Predigtdienst in St. Walpurgis.

1821
Eine Schlaguhr mit nur einem Zeiger (Stundenzeiger) wird bei Ludewig aufgeführt. Erwähnung noch 1893 / 1894.

1831
Ausstattung mit der jetzt alten Glocke von Wicke / Braunschweig. Inschrift: „Umgegossen von H. Wicke in Braunschweig im Jahre 1817 – Als Prediger zu St. Walpurgis waren F. A. Ludewig und G. C. Bollmann – Vorsteher und Rechnungsführer D. M. W. Hahn – Opfermann C. Körtge“.

1851
Die bisherige konsistoriale Kirchenverfassung wird durch die Errichtung von Kirchenvorständen (Gesetz v. 30.11.1851) im Sinne der Selbstbestimmung der Gemeinden umgewandelt. Fortan hat der Kirchenvorstand von St. Stephani die Entscheidungsbefungnis über die St.-Walpurgis-Kirche.

1856
Februar / Die Schuhmacher-Innung tritt erneut mit Erfolg für Taufen und Trauungen in St. Walpurgis ein! So dürfen Amtshandlungen wunschgemäß fortan in St. Walpurgis stattfinden, wenn die Prediger einverstanden sind, wenn der Parochial-Opfermann zugegen ist, wenn es nach Beendigung der Gottesdienste in St. Stephani geschieht, und wenn eine extra Vergütung erfolgt.
Erwerb des Hauses Walpurgisstr-Str. 8 als Küsterhaus.

1858
16. Oktober. Der aus Spenden besonders der Schuhmacher-Innung erneuerte und mit einem Aufwand von 20 Talern vergoldete Turmkopf wird wieder aufgesetzt. Dabei werden in einer kupfernen Büchse Urkunden beigefügt. Aus diesem Anlaß versammelte sich die Gilde mit 80 Mitgliedern in ihrem Versammlungslokal „Zur Tanne“, dazu der Kreisdirektor Cruse, der Bürgermeister Claus und der Polizeisekretär Seydlitz. In Prozession mit Fahne und Knopf ging es unter Musik zur Kirche. Der Prediger Warnecke hielt die geistliche Ansprache. Dann wurde der Knopf aufgesetzt. Danach ging es zum
Gasthof zu einem langen und fröhlichen Fest zurück. Damals hatte die Innung noch 119 Mitglieder!

1859
Juli. Die St.-Walpurgis-Kirche leidet ständig unter einem finanziellen Defizit. Es wird vorgeschlagen, Häuser zu verkaufen.

1870
Die Gottesdienste fallen im Winter aus. Bei der großen Kälte und der mangelnden Heizmöglichkeiten sei die Gesundheit der Besucher gefährdet. So kommen fast keine Menschen, lediglich 3 – 4 Personen, die dazu noch aus den Amtsfamilien stammen. – Die Sommerkirchen und namentlich die festtäglichen Gottesdienste werden angemessen besucht.

1892
Umfassende Erneuerung der St.-Walpurgis-Kirche. Kosten: 29.000,-- Reichsmark!
Entfernung der Priechen. Die Gilde erhält fortan ihren Platz in der Kreuzecke gegenüber der Kanzel.Ausstattung mit Gasheizung und
Gasbeleuchtung.

1893
Anschaffung einer neuen Orgel –Sauer / Frankfurt O. 12 Register – 4.203,-Reichsmark.
3. November. Glockengeläut der beiden Kirchen in der Sylvesternacht- eine Neuerung für Helmstedt, die beibehalten wird.

1894
18. März. Palmarum 5.00 Uhr nachmittags. Weihe der restaurierten Kirche durch Gen.-Sup. Kuhn. Die Schuhmacher-Innung beteiligt sich geschlossen an der Feier. Zuvor versammelte sie sich im Hotel „Germania“. Die Schuhmacher-Innung stiftet eine neue grüne Altarbekleidung. Die vorhandenen Paramente lässt sie reinigen und odernisieren. Die Domina Charlotte von Veltheim stiftet die Renovierungsarbeiten. Die Sammlung der Innung hatte 114,-- RM ergeben.

1897
September. Dem „Vaterländischen Museum“ in Braunschweig sollen die Reste der beiden Altarschreine, die Grabtafel der Dorothea Bisdorf, ein Ciborium und mehrere Zinngeräte (Leuchter und Rauchfaß) überwiesen werden, unter dem Vorbehalt der Rückgabe, sobald in Helmstedt ein Altertums-Museum gegründet werden sollte.
Die Konfirmanden des St.-Walpurgis-Bereichs stiften – in Ablösung der ehemaligen Zinngeräte – 4 Altarleuchter aus Messing in neugotischem Geschmack. Inschrift: „Gewidmet von den Confirmanden 1897“.